Geschichte der Radestock und Rodestock in Deutschland

Die Geschichte liefert eine ganze Menge an Fragen. Und um diese Fragen zu beantworten, muss man Quellen auftun und Dokumente auswerten. Irgendwann ergibt sich ein Bild, das den Verlauf der Ereignisse ungefähr wiedergibt.

Trotz einiger Forschung kann diese Seite zur Geschichte der Radestock und Rodestock kein erschöpfendes Bild meiner Familiengeschichte liefern. Sie soll ein Versuch sein, Fragmente zusammenzustellen und einen ersten Eindruck zu geben.

Aufgeschrieben 2007 von Sebastian Radestock, Frankfurrt a.M..


Einleitung
Wir wissen, dass es mindestens vier unabhängiger Vorkommen des Namens Radestock in der Geschichte gibt:
  • Das erste Auftreten der Radestock in Thüringen (1222-1415)
  • Das Auftreten der Radestock in Köln (1262-1286)
  • Die Herren von Radestock, ein altes Adelsgeschlecht aus der Niederlausitz oder aus Sachsen (1298-1640)
  • Weniger erforschte Vorkommen des Namens Radestock in Mittel- und Ostdeutschland (1404-heute)
  • Die Radestock aus dem Unstrut-Saale-Knie (1490-heute)

Alle heute lebenden Radestock stammen mit großer Wahrscheinlichkeit von den zahlreichen, bislang weniger erforschten Vorkommen in Mittel- und Ostdeutschland und den Radestock aus dem Unstrut-Saale-Knie ab.

Die Karte zeigt die (relative) Verteilung des Namens Radestock in heutiger Zeit. Datengrundlage für die Erstellung der Karte war das Telefonbuch 2002. Die Karte wurde mit dem Programm Geogen erstellt. Insgesamt wurden 149 Auftreten des Namens berücksichtigt. Eingezeichnet ist das Unstrut-Saale-Knie sowie die Ausgangsorte weiterer Radestock-Vorkommen in Mitteldeutschland.

Die grünen Pfeile deuten auf die Ursprungsorte der bislang weniger erforschten Vorkommen in Mittel- und Ostdeutschland hin. Der türkise Pfeil deutet auf die Herkunftsorte der Radestock aus dem Unstrut-Saale-Knie. Die blauen Pfeile dagegen deuten auf die möglichen Ursprungsorte der adeligen, heute aber ausgestorbenen Familie der Herren von Radestock. Obwohl die Ursprünge des Geschlechts der von Radestock ebenfalls in Mittel- und Ostdeutschland liegt, kann ausgeschlossen werden, dass heute noch Nachfahren dieser Familie existieren.


Das erste Auftreten der Radestock in Thüringen
Das Urkundenbuch des Klosters Paulinzella nennt 1222 einen Erfurter Bürger Berwicus Rodestoc als Zeugen in einem Rechtsstreit. Aus der gleichen Familie, die dem Rat der Stadt Erfurt angehört, zahlt 1248/49 ein Conradus Rodestoc "von einem Teil des Hofes, in dem er sitzt", 15 Pfennige Zins.

Am 13.12.1258 werden genannt Berwicus, Conradus et Guntherus fratribus dictis Rodestoc. Eine Urkunde vom 26.9.1259 bringt die gleichen Vornamen als fratribus, qui rodestoc nominatur.

Am 2.2.1312 kommt ein Henricus dictus de Rodistoc vor. Henricus Radestock ist 1345 Bürger zu Erfurt. Auch die späteren Erfurter Urkunden bis zum 22.8.1352 nennen den Namen von Rodestoc (g, ck).

Am 3.9.1415 erscheint der Name von Radestog in einem Kaufvertrag auf einer Urkunde in einem Archiv in Weimar.


Das Auftreten der Radestock in Köln
Ein Schreinsbuch des Kölner Landgerichtes nennt 1262 einen Udo dictus Rodestoc, der einen Erbzins, lastend auf einem in der Nähe des Burggrafenhofes gelegenen Hauses, überträgt.

In einer Urkunde vom August 1286 wird die Heiratsgabe beschrieben, welche Dietrich Gir und dessen Frau Agnes von deren letzteren Eltern Godefridus dictus Rodestoc und Gertrudis erhalten.


Die Herren von Radestock, ein altes Adelsgeschlecht aus der Niederlausitz oder aus Sachsen
Vertreter der von Radestock waren in der Niederlausitz und im sächsischen Kurkreis begütert. Die Adelsliteratur weiß über dieses Geschlecht kaum etwas zu berichten. Ihre Verbreitung reicht von Guben und Sorau im Osten bis Liebenwerda und Finsterwalde im Westen. Vermutlich steht das 8 km südöstlich von Sommerfeld gelegene Dorf Rodstock (heute Roztoki, Niederlausitz) mit der Sippe in Zusammenhang. Möglich ist aber auch, dass der namensgebende Stammsitz der Sippe das Dorf Rottstock unweit Brück (im ehemaligen sächsischen Kurkreis) gewesen ist. Die Ortsnamen Rodstock und Rottstock sind wendischen Ursprungs und bedeuten "Zusammenfluss".

Die Karte zeigt den sächsischen Kurkreis sowie die Lausitz im 16. Jahrhundert. Die beiden möglichen Herkunftsorte der von Radestock sind in großer Schrift eingezeichnet. In kleiner Schrift wurden die Namen einiger Orte eingezeichnet, in deren die von Radestock Begütert waren. Orte in blauer Schrift liegen in der Niederlausitz, Orte in türkiser Schrift im sächsischen Kurkreis. Die rote gestrichelte Linie markiert die heutige Grenze zu Polen.

Das Wappen der von Radestock stellt drei Rosen dar, die diagonal auf einem Schild angeordnet sind.

Die von Radestock werden Ende des 13. Jahrhunderts erstmalig erwähnt. Sie kommen in den ältesten landesfürstlichen Urkunden vor. Sie sind Raubritter und Vasallen der Herren von Ileburg. Ileburg (Eilenburg) ist in der obigen Karte in grüner Schrift eingezeichnet. Zu den Herren von Ileburg findet sich folgende Beschreibung bei Theodor Fontane (Theodor Fontane, Fünf Schlösser - Altes und Neues aus Mark Brandenburg, 1888/89):

    Die Eulenburgs, ein uraltes meißnisches Geschlecht das sich nach der jetzigen Stadt Eilenburg an der Mulde (zwei Meilen von Leipzig) die »Ileburgs« nannte, leitet seinen Ursprung von den Wettiner Burggrafen ab. Otto von Ileburg, gestorben 1234, Herr und Vogt der Herrschaft Eilenburg, auch im Saalkreise begütert, war, nach alter, inzwischen historisch bestätigter Tradition des Hauses, ein Enkel des Burggrafen Ulrich von Wettin. Etwa 150 Jahre nach dem Tode jenes Otto von I. hatte das Geschlecht den Höhepunkt seiner Macht und seines Besitzes erreicht, welcher letztere 250 Rittergüter und mehr als zwanzig Städte, meist in Lausitz und Sachsen gelegen, umfaßte. Es waren: Eilenburg, Mühlberg, Liebenwerda, Wahrenbrück, Übigau, Dahlen, Strehla, Sonnenwalde, Senftenberg, Kalau, Lübbenau, Forst, Finsterwalde, Drebkau, Lieberose, Muskau, Ruhland, Hoyerswerda, Zossen. Dazu in Böhmen: Elbogen, Klösterle, Bürgstein und Drum.

In den Urkunden des Klosters Doberlug werden Siffrid und Günther (1298), Runike (1311) und Rambold (1335) erwähnt. J. Zedler schreibt darüber in seinem Universal-Lexicon:

1315 erscheint Ulrich von Rodestock unter den Rittern, die als Urkundenzeugen in Luckau anwesend waren, als Bodo d.Ä. von Ileburg mit seinen beiden gleichnamigen Söhnen dem Ritter Christian d.Ä. Lange und seinen Söhnen Schloss und Stadt Lübbenau nebst einer Reihe dazugehöriger Dörfer verkaufte. Ein Ulrich wird auch 1359 genannt, als Bodo von Ileburg "mit Rat seiner Manne" dem Spital S. Crucis in Luckau einige Kornzinsen bestätigte.

Johann von Rodestock tritt 1323 auf. Hans und Jenichen Gebrüder von Rodestock sitzen 1375 zu Liebenwerda. Cuntz zu Finsterwalde und sein Vetter Ulrich von Rodestock leben um dieselbe Zeit (1378, 1389 und 1418). Letztere sitzen 1375 bis 1418 auf Burg Finsterwalde.

Ein Kunz von Radestock war 1377 Pfarrer zu Kalau. 1381 unterstanden "dem von Radestock in Guschau" (6 km nordöstlich von Gassen) zwei Bienenhalter. Conrad und Andreas von Rodestock sind 1423 noch zu Liebenwerda begütert. Im 16. Jahrhundert wird Balthasar von Radestock erwähnt, als er nach der Säkularisation des Klosters "Zum Heiligen Kreuz" bei Meißen (um 1543) Pächter des Schlosses Pülswerda wurde.

Zusammenhängende Nachrichten finden sich erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es lassen sich zwei Linien unterscheiden, wovon die eine (die Linie des Peter von Radestock) zu Guben begütert gewesen ist und die andere (die Linie zu Werchau) weiter im Westen. Der Zusammenhang der beiden Linien ist bisher noch nicht ersichtlich. Da zwischen beiden Linien keinerlei Mitbelehnungen zu verzeichnen sind, dürfte die Vetternschaft schon einige Grade zurückliegen. Möglich ist aber auch, dass es sich um zwei Verschiedene Familien gehandelt haben könnte.

Keiner Linie zuzuordnen ist Nikolas von Radestock, der 1591 als Besitzer der kleinen Ortschaft Bockwitz bei Belgern in der Dahlener Heide erscheint. Ihm gehört auch die Erbschenke. 1607 heiratet in Köthen Bernhard von Krosigk Brigitta von Radestock. Von Krosigk ist Page am Hofe Ludwig I. von Anhalt-Köthen. Um 1600 heiratet Baron Wolffgang von Loeben Dorothea von Radestock. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der letzte Nachkomme der Linie des Peter von Radestock, Wolf Albrecht, 1640 nach am Leben war. Im Jahre 1580 ist noch von des verstorbenen Hans von Radestock Schwestern die Rede.

Damit hören die Nachrichten über dieses alte Geschlecht auf, das nicht mehr lange bestanden zu haben scheint.


Weniger erforschte Vorkommen des Namens Radestock in Mittel- und Ostdeutschland
In Mittel- und Ostdeutschland trifft man vielerorts auf den Namen Radestock. Der Name Radestock ist aus den Wortstämmen "roden" und "Stock" hervorgegangen und hat mit den Ortsnamen Rodstock, Rottstock oder Rostock, die wendischen Ursprungs sind, keine Beziehung. Örtlichkeits- und Familiennamen, die den Wortstamm "roden" oder "Stock" enthalten, stammen aus der Zeit der jüngeren Besiedlung zwischen 800 und 1300 n. Chr., in der auch im nordöstlichen Thüringen der Ausbau des Landes durch umfangreiche Rodungen erfolgte.

Ausgangsorte für das Vorkommen der Radestock in Mittel- und Ostdeutschland sind das Unstrut-Saale-Knie (s.u.) sowie Falkenhain (1760), Freiberg (1404), Halle (1800), Leipzig Thonberg (1820), Golssen (1752), 2x Liedekahle (1700), Torgau (1589), Putzkau (1756) und Sadisdorf (1756).

Die Karte zeigt, rot markiert, einige der genannten Ausgangsorte. Man sieht, dass die Ausgangsorte in vier Gruppen unterteilt werden können. Rot zeigt das Ursprungsgebiet der Radestock aus Eckartsberga, Ober- Niedertrebra (Unstrut-Saale-Knie). Gelb zeigt das Ursprungsgebiet der Radestock aus Freiberg, Sadisdorf und Putzkau (Erzgebirge). Grün das Ursprungsgebiet der Radestock aus Leipzig und Falkenhain. Blau zeigt das Ursprungsgebiet der Radestock aus Liedekahle und Golssen.

Die Einteilung in vier Gruppen ist Spekulation. Klarheit kann nur geschaffen werden, wenn noch mehr Daten und Fakten zusammengetragen werden.


Die Radestock aus dem Unstrut-Saale-Knie
In den Kirchenrechnungen der St. Mauritiuskirche von Eckartsberga, die 1488 beginnen, werden 1490 die Rodestogken erstmals erwähnt. Das Landessteuerregister von 1497 nennt für Eckartsberga-Mallendorf Hans und Nickel Rodestock mit ihren Familien. Das Türkensteuerregister von 1501 nennt einen Nicl Rodestock und einen Hans Stock. Von nun an kommt der Name Rodestock in allen Unterlagen über Eckartsberga und den Ortsteil Mallendorf vor. 1571 wird der Name in den Hospitalrechnungen zum ersten Mal Radestock geschrieben. Von 1594 an wird ausnahmslos die Schreibweise Radestock verwendet.

Wenige Jahrzehnte später können Namensträger Radestock auch in den rund 6 km benachbart gelegenen Gemeinden Ober- und Niedertrebra nachgewiesen werden. Ein genealogischer Zusammenhang mit den Radestocks aus Eckartsberrga-Mallendorf ist wahrscheinlich, konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden.

Die Bedeutung des Namens

Nördlich von Echartsberga gab es die zwei Dorfstellen (Wüstungen) Gottfriedsrode und Rode (auch Niedergerode genannt). Es ist möglich, dass es in Eckartsberga eine Familie Stock gab, die das Land einer dieser Dorfstellen besessen hatte und später Rode-Stock - im Sinne von "der Stock aus Rode" - genannt wurde.

Die Karte zeigt die Umgebung von Eckartsberga. Die Dorfstellen Rode (rot) und Gottfriedsrode (blau) sind eingezeichnet. Es ist dokumentiert, dass "Hans Radestock der Elter aus Mallendorf" 1622 die Dorfstelle Gottfriedsrode inne hatte. Vielleicht entstand der Name aber auch aus der Tätigkeit des Stockenrodens, ein auch heute noch in Thüringen üblicher Begriff, der das Entfernen von Baumstümpfen (Stöcken) aus dem Boden beschreibt.

Verbreitung und Vorkommen des Namens im Unstrut-Saale-Knie

Ausgangsorte für das Vorkommen in diesem Bereich sind Eckartsberga mit dem Ortsteil Mallendorf und die beiden 6 km südöstlich gelegenen Gemeinden Ober- und Niedertrebra. Auch heute noch kommt der Name Radestock im Unstrut-Saale-Knie in zahlreichen Gemeinden vor.

Erste Vertreter der Stammfolge Eckartsberga-Mallendorf werden 1490 erstmals erwähnt. Die Ausbreitung dieser Stammfolge erfolgt nach Bernburg, Ermsleben, Magdeburg, Eisleben, Halberstadt und Landsberg.


    Eckartsberga.


    Ein Hof in Eckartsberga.

In Spielberg heiratet der um 1613 in Obertrebra geborene Matthäus Radestock, dessen Eltern und Herkunft nicht bekannt sind, eine Witwe Nerre aus Hohndorf. Die Nachkommen dieses Paares breiten sich als erste Obertrabraer Stammfolge nach Spielberg, Burgheßler und Kirchscheidungen aus.


    Kirche in Obertrebra.

Forschungen nach weiteren Namensträgern Radestock führen auf einen Leinwebermeister Bartholomäus Radestock (+ 14.6.1739) und seine Frau Eva (+ 17.2.1744). Sie könnten die Stammeltern einer zweiten Obertrebraer Stammfolge sein. Die Nachkommen dieser Familie breiten sich Pfiffelbach, Füth und Wuppertal aus.

Da es auch in Niedertrebra heute noch Namensträger Radestock gibt, lag es nahe, ihrer Abstammung nachzugehen. Es fand sich ein Stammbaum der Radestock aus Niedertrebra. Da die Kirchenbücher von Obertrebra erst 1724 und die von Niedertrebra 1631 mit einer Lücke von 1660 bis 1680 beginnen, kann auch ein genealogischer Zusammenhang mit der Stammfolge Eckartsberga-Mallendorf höchstens vermutet, nicht aber nachgewiesen werden.


    Kirche in Niedertrebra.

So werden laut Pfarrer Müller in Niedertrebra ein Hans Radestock und seine Frau Elisabeth - die Stammeltern der Niedertrebraer Stammfolge - im Kirchenbuch von Niedertrebra als Einwanderer bezeichnet.


Danksagung
Ich freue mich über Zuschriften von Lesern, die sich ebenfalls schon mit diesem Thema beschäftigt haben. Allen, die mir bereits geschrieben haben und interessante Details mitgeteilt haben, möchte ich herzlich danken.

Das auf diesen Seiten zusammengetragene Material stammt aus verschiedenen Quellen.